Alles andere als Durchschnitt

Sobald ein Fußballer das 32. Lebensjahr vollendet hat, erlangt er die Berechtigung an Pflichtspielen für die Ü32 (im Fachjargon auch “Alte Herren genannt) seines Vereins teilzunehmen. Meist ziehen sich Fußballer mit Mitte 40 dann aus dem aktiven Geschehen zurück. Andere Interessen, gesundheitliche Probleme oder mangelnde Fitness sorgen für den Wechsel in die passive Mitgliedschaft. Durchschnittlich ist ein aktiver Alte Herren-Fußballer nach empirischen Studien also 38,5 Jahre alt.

Soweit so gut; die Studie hat nur einen Fehler: Sie hat Karl-Heiz Borchert nicht mit einbezogen.

Am 18.08.2020 feierte Kalla seinen 70. (in Worten: siebzigsten!!!) Geburtstag.

Vermutlich erwarten viele von uns den durchschnittlichen 70-jährigen morgens beim Herz und Magen schonenden Kaffee bei Tchibo. Wenn er noch gut in Form ist, hat er das Pedelec für die Anreise genutzt und prahlt damit bei seinen weniger fitten Kumpels, die mit dem Bus angereist sind. Nach dem Vormittagsprogramm erfolgt das Mittagessen mit anschließender Mittagsruhe. In sofern es die körperliche und seelische Verfassung zulässt, erfolgt am frühen Abend noch ein 20 minütiger Spaziergang oder Opi widmet sich ausgiebig der Bewässerung der Balkonpflanzen oder des Vorgartens. Spätestens nach dem “heute-journal” um 22:15 h erfolgt die wohlverdiente Nachtruhe.

Wie schon erwähnt, weicht Kalla Borchert vom Durchschnitt ab. An jedem Trainingstag (ich kann mich nicht daran erinnern, dass er in den letzten 20 Jahren mal fehlte) ist er der erste am Platz, in freudiger Erwartung, sich endlich umkleiden zu können. Meist betritt er als erster den Platz, um sich ausgiebig aufzuwärmen; die Muskeln, Sehnen und Gelenke brauchen im Laufe der Zeit nun mal mehr Zuwendung um Wettkampf bereit zu werden. Sobald die Trainingseinheit beginnt, wird der flinke Stürmer eins mit dem Ball. Wie eh und je lauert er in der Sturmspitze auf die nächste Torgelegenheit. Situation erahnen – den tödlichen Pass fordern – in die Lücke stoßen – vor dem Tor einmal mit dem Arsch wackeln und die Kugel abgezockt ins Netz gelegt. Das kann er immer noch besser als manch 40-jähriger. Ballgefühl, der Blick für den besser postierten Mitspieler, Torriecher und ein feines linkes Füßchen – all das ist unverändert da. Jede Übungseinheit wird bis zur letzten Minute durchgespielt und auch beim Training nach dem Training zeigt er das gleiche Talent. Als bekennender Hopfenfreund trägt er mit einem überdurchschnittlichen Anteil zum Umsatz in der Bierkasse bei. Erst wenn die meisten Mitspieler schon die Heimreise angetreten haben, verlässt auch er den Sportplatz in Richtung Heimat; standesgemäß: zu Fuß. Wie der Typ das macht? Ich habe keine Ahnung. Vermutlich denkt er nicht darüber nach und macht es einfach.

Lieber Kalla: 95/08 wünscht dir alles Gute zum Geburtstag und sagt Danke für 60 Jahre Vereinszugehörigkeit. Wir hoffen, dass dich kein anderes Team abwirbt. So krasse Typen wie dich gibt`s nur selten.

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